Wahlen in Russland und den USA, Donbass und Krim: Norwegischer Journalist bei SNA zu Gast

10/06/2021

Artikel: SNA News - 

Hendrik Weber, Kommunalpolitiker der Gemeinde Alver, Gründer und Vorsitzender der norwegischen NGO "Folkediplomati Norge" beobachtete die Staatsdumawahlen in Russland, reiste auf die Krim und in die Ost-Ukraine. Darüber berichtete er im SNA-Gespräch.In Moskau besuchte er die zentrale Wahlkommission sowie verschiedene Wahllokale in der Stadt, sprach mit den Wahlhelfern und Wahlbeobachtern von den verschiedenen Parteien vor Ort. "Man kann mit dem Wahl-Ergebnis zufrieden sein oder nicht, aber die Wahl als Prozess an sich war transparent, öffentlich und gut abgesichert. Wir haben keine Unstimmigkeiten festgestellt. Für mich als ausländischer Wahlbeobachter ist es natürlich die Frage, warum die OSZE nicht gekommen ist."Weber bezeichnete dies als eine Art westliche Doppelmoral. "Die OSZE hat im November 2020 die amerikanischen Präsidentschaftswahlen mit großen Restriktionen beobachtet. Teilweise durften die Wahlbeobachter nicht einmal in die Wahllokale gehen und mussten 200 Meter entfernt stehen. Solche Restriktionen für ausländische Wahlbeobachter gab es in Russland nicht. Trotzdem hat die OSZE die russische Einladung wegen der angeblichen Einschränkungen abgelehnt. Ist das nicht eine Doppelmoral?"

Krim-Reise: Wasserblockade durch die Ukraine erschwert das Leben

Was die Krim-Reise betrifft, so wollte der Journalist und Buchautor noch 2016 selbst sehen, wie die Leute dort leben, wie die Annexion der Krim, über welche Mainstream-Medien im Westen gerne berichten, aussieht. "Wenn Bilder aus der Krim gezeigt werden, zeigt man oft Soldaten, so dass der Eindruck für einen normalen Leser entsteht, dass dort eine Art Militärregime herrscht. Wir haben aber festgestellt, dass die Leute auf der Krim ganz normal leben. Die meisten Krimbewohner, mit denen wir gesprochen haben, waren zufrieden, dass sie nun wieder mit Russland vereint sind."

"Die Regierung arbeitet so wie in jedem anderen Staat der Welt auch", bezeugt Hendrik Weber. "Natürlich gibt's Probleme, aber sie haben nichts mit der Politik als solcher zu tun. Das größte Problem ist die Wasserblockade der Halbinsel, die die Ukraine verhängt hat. Letzten Sommer war die Situation für die Menschen auf der Krim beim heißen und trockenen Wetter sehr schwierig.""Es wurden mittlerweile verschiedene Projekte angefangen", berichtet Weber weiter, "um einfach Regenwasser zur Bewässerung zu sammeln. Wir haben eine große Apfel-Plantage besucht, die Becken mithilfe der Regierung gebaut hat, um dann Wasser auf die Felder oder Plantagen zu pumpen. Aber das ist natürlich keine dauerhafte Lösung. Die Leute wollen eine gesicherte Wasserversorgung. Das ist klar. Aber sie sehen, warum sie das Problem mit dem Wasser haben. Sie sehen auch, dass die Regierung versucht, das Problem in den Griff zu kriegen."

Auch die Tourismus-Branche braucht Investitionen

Auch habe die Ukraine in den zig Jahren zuvor sehr wenig auf der Krim investiert, fügt der Journalist hinzu. "Das heißt, Wasser- und Abwasserleitungen sind ziemlich alt und müssen renoviert werden. Und das braucht einfach Zeit. Aber die Entwicklung in den letzten sieben Jahren seit 2014 ist schon ganz rapide. Die Investitionen, die in diesen Jahren vom russischen Staat auf der Krim getätigt wurden, sind gewaltig: Infrastrukturprojekte, Flughafen, die Brücke und neue Autobahnen. Es kommen aber auch Investitionen aus dem Ausland in die Tourismusbranche und den Agrarsektor."Der Tourismus sei zwar nach 2014 kräftig eingebrochen, so der Journalist, "in den letzten Jahren steigen die Zahlen aber wieder. Viele Russen fahren gerne auf die Krim. Es kommen auch Ukrainer, um auf der Krim Urlaub zu machen. Natürlich wird das von der Regierung in der Ukraine nicht begrüßt, aber möglich ist es schon. Wenn man aber den internationalen Tourismus anlocken will, muss die Krim noch einiges tun, um englischsprachige Mitarbeiter in Hotels anzustellen usw. Im Moment basiert der Tourismus auf Russland und russisch-sprachigen Menschen. Es gibt noch Potenzial, um den Krim-Tourismus auf ein internationales Niveau zu heben."

Ist die Krim schon russisch oder ukrainisch?

Die Frage sei für ihn einfach zu beantworten, meint Weber. "2014 wurde auf der Halbinsel ein Referendum abgehalten. Die Menschen haben sich dort zum größten Teil immer russisch gefühlt. 2014 haben sie abgestimmt, mit 97 Prozent wieder zu Russland zu gehören. Die Krim hat einen Antrag gestellt. Moskau hat diesen Antrag genehmigt und seitdem ist die Krim ein russisches Territorium. Das wird natürlich vom Westen anders gesehen, und man sagt, dass es eine Annexion sei."Eine Annexion geschehe aber bei einer militärischen Machtübernahme, meint Weber. "Sie ist auf zwei Dingen basiert: Die militärische Übernahme und nicht nur gegen die Regierung, die dort herrscht, sondern auch gegen die Bevölkerung, die dort lebt. Und das ist in diesem Fall nicht passiert, denn der Großteil der Bevölkerung wollte immer zu Russland gehören. Deswegen kann man nicht von Annexion sprechen. Laut Völkerrecht gibt's im Fall Krim keine gewaltsame Aneignung. Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession. Und sie wird vom Völkerrecht weder verboten noch erlaubt.""Auf der Krim spricht man hauptsächlich Russisch", sagt der Journalist weiter. "Deswegen kann man sagen, dass die Krim russisch ist, aber mit einigen ukrainischen Noten im Alltag. Auf der Krim gibt es mehr als 100 Minderheiten: natürlich die Ukrainer als eine sehr große Minderheit, die Krimtataren, aber auch viele andere - Bulgaren, Griechen, Deutsche usw. Und die drei offiziellen Sprachen sind halt Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch."

In der Ost-Ukraine wird jeden Tag über die Trennlinie geschossen

"In der Ost-Ukraine ist eine andere Situation: Da ist nach wie vor der Krieg", urteilt Weber. "Jeden Tag wird über die Trennlinie geschossen. Die Leute haben sich schon mehr oder weniger daran gewöhnt, besonders in den Städten, die ein bisschen weiter von der Frontlinie entfernt sind. Aber das ist natürlich keine dauerhafte Situation. Niemand will in den Kriegsregionen wohnen. Außerdem stehen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk unter Sanktionen der ukrainischen Regierung und des Westens. Die Leute haben keine Möglichkeit nach Europa einzureisen. Alles ist kompliziert und schwierig.""Es ist schwierig, die Renten zu bekommen", beschreibt die Situation der Freelancer. "Westliche Banken sind in dieser Region natürlich geschlossen. Die Ukraine probiert eine strenge Blockade gegen das ganze Gebiet. Und das ist natürlich schwierig für die Bewohner. Wobei man auch da sehen kann, ganz deutlich, dass der Staat auch dort funktioniert. Die beiden Volksrepubliken haben Regierungen aufgebaut. Im Winter werden die Straßen geräumt, die Kinder gehen zur Schule, die Leute gehen zur Arbeit."

Appell an die Uno

Hendrik Weber forderte die internationale Staatengemeinschaft vertreten durch den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte auf, Druck auf Kiew in Bezug auf einen direkten, friedlichen Dialog mit dem Donbass auszuüben. Gibt's Fortschritte auf diesem Wege, wollte SNA wissen. Der Journalist bestätigt dies nicht. "Wenn die ukrainische Regierung sich überhaupt weigert, mit den beiden Republiken zu sprechen, verstößt sie eindeutig gegen die Minsker Vereinbarungen von 2015, wo festgelegt wurde, dass zunächst der Status der abtrünnigen Republiken bestimmt wird, und dann die Grenze zwischen ihnen und Russland wieder von der Ukraine kontrolliert werden kann. Aber die ukrainische Regierung weigert sich, und es wird kein Druck von der EU auf die Ukraine ausgeübt. Deswegen ist es ein eingefrorener Konflikt. Nichts passiert, außer dem, dass an der Trennlinie zwischen diesen Republiken und der Ukraine geschossen wird.""Das Einzige, was man machen kann, sind direkte Verhandlungen", ist sich Weber sicher. "Das ist im Leben so. Wenn ein Mann mit seiner Frau streitet, muss er mit ihr einfach reden, sonst kommt man zu keiner Lösung. Als der Konflikt angefangen hat, hat die Ukraine sofort alle Konten der Donbass-Bewohner eingefroren, keine Renten mehr ausbezahlt, sodass die Menschen am eigenen Leib gesehen haben, dass die Ukraine sie gar nicht mehr haben will. Die ukrainische Regierung blockiert alles. Das ist jetzt sieben Jahre her. Trotzdem sind die Chancen immer noch da, den Konflikt zu lösen. Und ich glaube, Russland wäre bereit, Lösungswege zu finden. Aber dann muss die Ukraine auch beweisen, dass sie es wirklich ernst meint, und auch direkte Verhandlungen mit den Regierungen der Volksrepubliken aufnehmen, die ja frei gewählt sind."

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